Der Nachbar

Written in German by Gerhard Meister

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Nein, es wäre wirklich kein Problem gewesen, auf das Spiegelei zu verzichten. Ich hatte noch Brot und Konfitüre und auch Kaffee, und Kaffee ist am Morgen ja das wichtigste. Aber genausowenig ein Problem war es eben auch, bei meinem Nachbarn zu klingeln und zu fragen, ob er mir ein Ei geben könnte. Zugegeben, normalerweise würde man sich für das Ei freundlich bedanken und wieder in seine Wohnung zurückgehen. Dass mir das Haushaltspapier ausgegangen ist, damit hätte ich meinen Nachbarn nicht belästigen müssen. Ich wollte später sowieso noch einkaufen gehen und hätte das Haushaltspapier bist dahin vielleicht gar nicht gebraucht. Aber da hatte ich meinen Nachbarn schon gesagt, dass mir dummerweise neben den Eiern auch das Haushaltspapier ausgegangen sei. Gut, ein Ei und etwas Haushaltspapier, das ist nicht viel, das ist nicht unverschämt, und das mir der Rasierschaum und die Rasierklingen ausgegangen sind, das ist mir einfach herausgerutscht. Ich wäre eben wirklich sehr gerne rasiert aus dem Haus zum Einkaufen gegangen, das lässt sich ja nachvollziehen, und so hatte ich eben drei Sachen aufs Mal von meinem Nachbarn erhalten und hätte nicht nach etwas viertem fragen dürfen, schon klar.

Aber es ist eben auch eine Tatsache, dass meine Küchenuhr nicht mehr lief, was nicht an den Batterien lag, das hatte ich schon überprüft, nein, die Uhr war  kaputt, und es war eine schöne Uhr, für die man nicht so schnell einen Ersatz gefunden hat. Mein Nachbar hatte vollstes Verständnis, sofort gab er mir seine Uhr, ja, er hat mir diese Uhr gegen den Widerstand, den ich gegen soviel Hilfsbereitschaft plötzlich doch noch aufgebracht hatte, richtiggehend aufgezwängt. Also nahm ich die Uhr samt dem Ei, dem Haushaltspapier und dem Rasierzeug, wofür er mir ein Tüte gab, damit ich alles auf einmal in meine Wohnung nehmen kann. In diesem Moment kam mir der Sessel im Wohnzimmer in den Sinn. Wie unbequem der war und wie er einem wirklich jede Lust verdarb, sich in ihn hineinzusetzen und etwas zu lesen. Ich fragte meinen Nachbarn, ob er mir nicht seinen Sessel geben könne, in meinem könne man wirklich nicht mehr sitzen. Natürlich, sagte mein Nachbar und schlug vor, den Sessel gemeinsam in meine Wohnung hinüber zu tragen. Was wir dann taten. Aber als mein Nachbar wieder aus der Wohnung draussen war, da merkte ich plötzlich, wie ich es fast nicht mehr aushielt ohne Frau. Und schon hatte ich ihn gefragt, ob er mir nicht seine Frau geben könnte. Natürlich, sagte er wieder, allerdings könne er das nicht über ihren Kopf hinweg entscheiden. Er rufe sie an und frage, was sie dazu meine. Sie sei gerade am Einkaufen und ob sie mir vielleicht noch etwas mitbringen könnte. Aber mir kam nichts in den Sinn. Alles, was ich brauchte, hatte ich mir schon von meinem Nachbarn geben lassen. Kurz darauf kam die Frau zurück und stelllte ihre Einkäufe in meine Wohnung. Da stellte ich fest, dass meine Wohnung eigentlich viel zu klein ist, um zuzweit darin zu wohnen und fragte meinen Nachbarn, ob es wohl möglich wäre, dass er mir und meiner Frau seine Wohnung überlasse. Kein Problem, sagte mein Nachbar und machte sich gleich daran, seine Schuhe und seinen Mantel anzuziehen. Als er seinen Schirm nehmen wollte, fragte ich, ob er den wirklich mitnehmen wolle. Es ist Regen gemeldet, sagte er und ich sagte, dass ich, um ehrlich zu sein, froh wäre, wenn er den Schirm hier lassen könnte. Mein Nachbar stellte den Schirm wieder zurück, verabschiedete sich und ging die Treppe hinunter, um aus dem Haus und aus meinem Leben für immer zu verschwinden.

Published May 31, 2019
© Gerhard Meister

The Neighbour

Written in German by Gerhard Meister


Translated into English by Charlotte Collins

No, it really wouldn’t have been a problem to do without the fried egg. I still had bread and jam, and coffee, too, and in the morning coffee is the most important thing. But equally it wasn’t a problem to ring my neighbour’s bell and ask if he could give me an egg. Admittedly, the usual thing would be to say thank you politely and return to one’s flat. I didn’t have to bother my neighbour with the fact that I had run out of paper towels. I was planning to go shopping later, in any case, and perhaps I wouldn’t actually have needed any paper towels before then. But I’d already told my neighbour that, stupidly, I’d run out of paper towels as well as eggs. So, fine: an egg and some paper towels, that’s not much, that’s not unreasonable; and it just sort of slipped out that I’d run out of shaving foam and razors, too. It was just that I really wanted to be cleanshaven when I left the house to go shopping, which is understandable. So my neighbour had now given me three things at once, and obviously I shouldn’t have asked for a fourth.

But the fact was that my kitchen clock had stopped working, which wasn’t because of the batteries, I’d already checked that; no, the clock was broken, and it was a nice clock that wouldn’t be easy to replace. My neighbour understood completely, and immediately gave me his clock – indeed, he more or less forced this clock upon me, despite the sudden resistance I did put up after all in the face of such helpfulness. So I took the clock, along with the egg, the paper towels and the shaving utensils, and he gave me a bag so I could carry them all back to my flat in one go. Just at that moment my living room armchair came to mind. How uncomfortable it was, and how it really discouraged you from ever sitting in it and reading something. I asked my neighbour if he couldn’t give me his armchair; you really couldn’t sit in mine any more. Of course, said my neighbour, and he suggested that we carry the armchair over to my flat together. Which we did. But when my neighbour left again, I suddenly realised I could hardly stand it any longer without a wife. And before I knew it I’d asked him if he might give me his. Of course, he said again, only he couldn’t decide that without asking her. He would call her up and ask her what she thought. She was out shopping right now; perhaps she could bring something back for me as well? But I couldn’t think of anything. Everything I needed I’d already got from my neighbour. Shortly after this his wife returned and unpacked her shopping in my flat. I then realised my flat was actually much too small for two people to live in, and asked my neighbour whether it would be possible for him to give me and my wife his flat. No problem, said my neighbour, and immediately started putting on his shoes and coat. As he went to pick up his umbrella, I asked whether he really wanted to take it with him. It’s supposed to rain, he said; and I said that, to be frank, I’d be glad if he could leave the umbrella here. My neighbour put back the umbrella, said goodbye, and went down the stairs to vanish from the house and from my life forever.

Published May 31, 2019
© Gerhard Meister
© Specimen 2019

Сосед

Written in German by Gerhard Meister


Translated into Russian by Swjatoslaw Gorodezkij

Нет, отказаться от яичницы было нетрудно. У меня оставались хлеб, варенье и кофе, а ведь кофе с утра — самое важное. Но нетрудно было и позвонить к соседу и спросить, не одолжит ли он мне яйцо. Согласен, обычно люди любезно благодарят за полученное яйцо и возвращаются в свою квартиру. О том, что у меня кончились бумажные полотенца, я мог бы промолчать. Мне все равно еще предстояло идти в магазин, и до тех пор полотенца могли и не понадобиться. Но вот я уже сказал соседу, что глупым образом у меня кончились не только яйца, но и бумажные полотенца. Ладно, яйцо и немного бумажных полотенец — это нормально, не стыдно. Фраза о том, что кончились еще крем для бритья и бритвы выскочила из меня сама собой. Мне действительно очень хотелось побриться, прежде чем идти в магазин, в этом нет ничего такого, поэтому я сразу получил от соседа три вещи, и мне, конечно, не стоило просить его о четвертой.

Но у меня, на самом деле, остановились кухонные часы, не из-за батареек, я проверял, нет, часы сломались, красивые часы, которые так быстро не заменишь. Сосед прекрасно меня понял, он тут же отдал мне свои, да, он всучил их мне несмотря на сопротивление, с которым я отреагировал на его чрезвычайную щедрость. Так что мне пришлось взять часы вместе с яйцом, полотенцами и бритвенными принадлежностями, он даже дал мне пакетик, чтобы я донес все до своей квартиры. И тут я вспомнил о кресле в гостиной. Такое неудобное, оно напрочь отбивало всякое желание сесть и почитать. Я поинтересовался у соседа, не даст ли он мне свое кресло, просто в моем уже действительно невозможно сидеть. Разумеется, согласился сосед и предложил вдвоем перенести кресло в мою квартиру. Что мы и сделали. Но когда сосед ушел из моей квартиры, я вдруг почувствовал, что мне остро не хватает жены. И вот я уже спрашиваю его, не отдаст ли он мне и свою жену. Разумеется, согласился он, хотя такие решения он не вправе принимать без ее ведома. Он позвонит ей и спросит, что она об этом думает. Она сейчас как раз в магазине — может, мне что-нибудь нужно? Мне ничего не пришло в голову. Все, что мне было нужно, я уже получил от соседа. Вскоре жена соседа пришла и занесла покупки ко мне в квартиру. Тут я понял, что моя квартира слишком мала для двоих и спросил соседа, не уступит ли он нам с женой свою квартиру. Без проблем, согласился сосед и сразу принялся обуваться и надевать пальто. Когда он потянулся за зонтом, я спросил, действительно ли тот ему нужен. Обещали дождь, сказал он, а я заметил, что, честно говоря, был бы рад, если бы он мог оставить и зонтик. Сосед поставил зонт на место, попрощался и спустился по лестнице, чтобы навсегда исчезнуть из моего дома и моей жизни.

Published May 31, 2019
© Gerhard Meister
© Specimen 2019


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